Ein neues Bündnis – geboren aus Unsicherheit
Im März 2025 wurde auf dem Westbalkan ein neues regionales Verteidigungsbündnis ins Leben gerufen: die Balkan Collective Security Initiative (BCSI). Gegründet von Serbien, Bosnien und Montenegro, positioniert sich das Bündnis als sicherheitspolitische Antwort auf ein zunehmend fragiles Europa – mit Fokus auf regionale Zusammenarbeit, Grenzsicherheit und hybride Bedrohungen. Besonders betont wird der „europäische Sicherheitsvakuum nach 2022“, das durch den Rückzug der USA aus Teilen Europas und den innenpolitisch gelähmten Zustand der NATO entstanden sei. Die BCSI soll keine Konkurrenz zur NATO sein, heißt es – aber genau diese Debatte tobt nun in Brüssel. Und dann kam Ungarn.
Ungarns Entscheidung, sich dem neuen Bündnis anzuschließen, kam offiziell „aus strategischer Solidarität mit den Nachbarn“. Doch die Wahrheit dürfte komplexer sein. Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte in einem TV-Interview, dass „der Westen Ungarn oft ignoriert, während der Balkan echte Sicherheitsinteressen teilt“. Der Beitritt bedeutet mehr als eine Geste – es ist ein geopolitischer Positionswechsel. Laut internen Berichten wird Ungarn ab Sommer gemeinsame Manöver mit serbischen und montenegrinischen Einheiten abhalten, darunter ein Cyberabwehrtraining in Niš und ein Luftlande-Manöver nahe Novi Sad.
Ungarns sicherheitspolitischer Kurswechsel
Was motiviert Ungarn zu diesem Schritt? Seit Jahren verfolgt Orbáns Regierung eine nationalkonservative Linie, die zunehmend auf Eigenständigkeit gegenüber Brüssel und Washington setzt. In den letzten drei Jahren hat Budapest seinen Verteidigungshaushalt um fast 40 % erhöht – von 1,3 % des BIP im Jahr 2022 auf nunmehr 1,8 % im Jahr 2025. Gleichzeitig wurden militärische Kooperationen mit westlichen Partnern reduziert, während die Zahl gemeinsamer Übungen mit Serbien, China und der Türkei stieg. Orbán spricht von einer „multipolaren Sicherheitsarchitektur“, doch Kritiker sehen darin eine Abkehr vom westlichen Verteidigungsrahmen.
Dieser neue Militärpakt auf dem Balkan bietet Ungarn eine Plattform, in der es nicht länger Juniorpartner, sondern Mitgestalter ist. Und genau darin liegt wohl der Reiz: Einfluss ohne Belehrung. Während EU-Kommissare warnen, dass Orbán sich „zu weit von der gemeinsamen Linie entfernt“, sehen manche Analysten in dem Schritt eine kluge, wenn auch riskante Neuordnung ungarischer Außenpolitik. Die Frage, die bleibt: Will Ungarn wirklich unabhängiger werden – oder nur stärker gehört?
Reaktionen in Europa und den USA
Der Beitritt Ungarns zum BCSI hat in Brüssel und Washington für Unruhe gesorgt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich „überrascht“ von der Entscheidung und forderte eine „klare Kommunikation“, wie sich dieser Schritt mit den Verpflichtungen innerhalb der NATO vereinbaren lasse. Auch aus Berlin kamen kritische Töne: Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem „gefährlichen Spiel mit Parallelstrukturen“. In den USA äußerte sich der republikanische Senator Tom Cotton, ein Hardliner in Sicherheitsfragen, ebenfalls deutlich: „Ungarn bewegt sich weg von der atlantischen Familie.“
Doch in Budapest gibt man sich gelassen. Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky betonte, dass „regionale Sicherheit nicht im Widerspruch zur globalen Zusammenarbeit“ stehe. Man wolle „Stabilität schaffen, nicht Spaltung.“ Doch genau diese Balance wird nun auf eine harte Probe gestellt. Denn mit dem Beitritt Ungarns ist der Balkanpakt nicht mehr nur eine Randnotiz – er ist ein Faktor, den niemand ignorieren kann.
Fazit: Symbolik oder Systembruch?
Ob Ungarns Beitritt zum neuen Balkanbündnis nur ein symbolischer Warnschuss an die EU ist – oder der Beginn eines strategischen Schwenks – lässt sich noch nicht abschließend sagen. Sicher ist: Die sicherheitspolitischen Linien in Europa verschieben sich. Kleine Länder nehmen ihr Schicksal zunehmend selbst in die Hand, während große Bündnisse an Schlagkraft verlieren. Für Orbán ist der Schritt Teil einer lang angelegten Strategie. Für Europa ist es ein weiterer Beweis, dass sich das Zentrum europäischer Sicherheitspolitik in Bewegung befindet. Ist das ein Risiko? Oder schlicht die neue Realität?
Quellen:
- Albania, Croatia, and Kosovo Sign Defense Agreement – Tirana Times
- Serbia, Hungary agree on boosting military cooperation
- Military agreements in the region: Belgrade and Budapest respond
- What is the aim of the Declaration on military cooperation between Croatia, Albania, and Kosovo?
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